»habe als menschgewordene Fliege die selbstermächtigte Möglichkeit, offiziell zu nerven.« Performativ und ohne Sprache kommentiere ich, sissi petutschnig, die opulenten Strukturen des Angewandten Festivals, während ich zugleich eine beobachtende Rolle einnehme.
Die Fliege – Sinnbild für Trivialität und Langeweile – gilt als unliebsamer Plagegeist. Als Aasfresser kreist sie um Tod und Verfall. In Fly on the Wall wird sie zur Metapher für den Überfluss des modernen, urbanen Lebensstils. Humorvoll, aber pointiert übt die Arbeit Kritik an verschiedenen Facetten des Kunstfestivals: Überproduktion und Ressourcenverschwendung, der Leistungsdruck für Kunstschaffende, Wettbewerb, Überangebot, Überarbeitung, unbezahlte Arbeit, Müllproduktion, soziales Prestige und bürgerliche Privilegien – um nur einige zu nennen.
Die herrschende Aufmerksamkeitsökonomie des Spektakels manifestiert sich in einem imposanten Kostüm, das zum Zentrum der Inszenierung wird. Ohne Sprache, dafür mit durchgehender Präsenz über vier Festivaltage hinweg (Di–Fr, 11:00–22:00), übernimmt die Fliegenfigur Raum und Aufmerksamkeit. Auch ihr Bewegungsmuster – flatternd, suchend, störend – wurde konsequent übernommen. Die Performance hatte den Charakter eines Happenings: Aktionen entstanden spontan und in Reaktion auf das Festivalgeschehen. Ort und Zeit waren intuitiv gewählt. Der dramaturgische Bogen spannte sich von einer anfänglichen, schüchternen Erkundung bis hin zur selbstbewussten Provokation.
Tägliche Rituale halfen, die Rolle zu festigen. Die stille Kommunikation – ganz ohne Sprache – eröffnete neue Formen der Interaktion. Im Laufe der Tage entstanden schriftliche Kommentare mit Textmarkern an Böden und Wänden. Wiederkehrende Handlungen waren u. a.: das „Erschlagenwerden“ vom Festivalangebot und symbolisches „Sterben“ wie eine Fliege, das gezielte Stören von Führungen, das Inspizieren von Mülltonnen, demonstrative Langeweile oder das Spiegeln des Besucher:innenverhaltens durch stilles Beobachten.
Weitere Routinen umfassten das tägliche Schreiben ins Fliegentagebuch und das Basteln eines Eis aus Pappmaché – gefertigt aus dem gesamten Programmheft des Festivals. In Momenten der Leere zog sich das Insekt zurück: ein Quadratmeter Ausstellungsfläche wurde zuvor zur „Fliegenbasis“ erklärt.
credits:
Performance und Choreographie: sissi petutschnig
Kostüm: sissi petutschnig
Kostümsupport: Julian Schock
Fotos: Madeleine Golosetti , Thomas Manhart
Schnitt: sissi petutschnig,
Kamera: Mateusz Wiglinzki , Olivia Axel Scheucher, Tina Kult
Schnitt: sissi petutschnig
additional:
Video Dokumentation